Glas war eines der Materialien, das Forscher und Entwickler lange nicht mit einem 3D-Drucker herstellen konnten. Das Problem war einerseits die sehr hohe Temperatur, die zum Glasschmelzen und -verarbeiten benötigt wird, andererseits die benötigte temperaturgesteuerte Abkühlphase, in der das Projekt noch bearbeitet werden kann. Der Durchbruch erfolgte in den Jahren 2015 – 2016, als sich israelische, amerikanische und russische Ingenieure einen Wettlauf um die beste Glas-Druck-Technik lieferten.
Prinzipiell funktioniert der Glasdruck wie jeder andere 3D-Druck. Vereinfacht beschrieben: Flüssiges oder halbflüssiges Material wird mit einer Spezialdüse Schicht für Schicht aufgetragen, bis das Objekt seine gewünschte Form hat. Beim Glasdruck ist ein Schmelztiegel, in dem 1.000°C herrschen, die „Tintenpatrone“. Im Arbeitsraum, in dem das Objekt erstellt wird, herrschen 500°C. Nach Abschluss des Druckvorgangs wird der Arbeitsraum langsam heruntergekühlt, um ein Zerspringen des Glases zu verhindern.
Das israelische Unternehmen Micron3DP verfügte bereits über Erfahrungen im 3D-Druck von hoch erhitzbaren Materialien wie Carbon-Fasern. Doch bei 400°C war das Maximum erreicht. 2015 startete das Micron3DP Research & Development Team die ersten dokumentierten Versuche mit dem Druck von vielfältig einsetzbarem, äußerst temperatur- und chemikalienbeständigem Borosilikatglas.
Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte eine Arbeitsgruppe eine neue Technik für den 3D-Druck von Glas, mit der sie insbesondere die bisher nur in der Glasbläserei herstellbaren kunstvollen Objekte und Skulpturen druckt. Sie nennt ihr Verfahren ganz einfach „Glass 3D Printing“ (G3DP).
2016 reichen die beiden russischen Doktoranden Anuar Kulmagambetov und Vladimir Bodyakin ein Patent für den 3D-Druck mit Glas ein. Darin beschreiben sie ein Verfahren zum Druck von Wänden und Strukturen aus Glas, das für die Bauwirtschaft von besonderem Interesse sein soll.
Verwendung des gedruckten Glases
Der G3DP des MIT wurde so weit entwickelt, dass Glasskulpturen mit einzigartigen Mustern in einer Qualität gedruckt werden können, die selbst ein erfahrener Glasbläser nicht herstellen könnte. Bei den derzeitigen Objekten des MIT wird es sich daher um Kunstgegenstände für Sammler, Ausstellungen und Museen handeln.
Micron3DP hat die Technik in 2016 so weit aufgerüstet, dass mehrfarbige fragile Objekte mit feinen Details gedruckt werden können. Und es geht noch mehr: bis zu 100 µm dick kann eine Druckschicht für komplexe Glasteile sein. Die von Micron3DP derzeit gedruckten Gefäße sind zum Beispiel mit ihren integrierten Kanälen hervorragend für Labors geeignet. Ansehen kann man sich die Funktionsweise des 3D-Glasdruckers voraussichtlich im November 2017 auf der Messe FORMNEXT in Frankfurt.
Große Vorteile sehen die russischen Wissenschaftler mit ihrem gedruckten Glas insbesondere in der Bauindustrie. Glas ist im Gegensatz zu Beton leichter und detailgenauer zu verarbeiten. Mehrschichtige Glaswände werden im 3D-Druckverfahren optional mit Wärmeleitfähigkeiten, Farben und Lichtreflexionen ausgestattet, was Architekten viele kreative Möglichkeiten eröffnet. Wegen der besonderen Eigenschaften und Vorteile von Glas können sich die Forscher den Einsatz der 3D-Glaswände nicht nur als gestalterische Elemente, sondern insbesondere in Kühllagern oder Krankenhäusern vorstellen. Glas ist resistent gegen Keime und braucht wenig Wartung.
Bedenkt man, dass Silizium- bzw. Quarzsand als Rohstoff für Glas reichlich vorhanden ist, hat das umweltfreundliche und in energieeffizienten Verfahren herzustellende Produkt Glas eine große Zukunft. Und die Forscher haben noch ein weites Betätigungsfeld.